Schliessen Sie einfach die Augen, konzentrieren Sie sich ganz auf den ersten Bissen und lassen Sie sich vom himmlischen Geschmackserlebnis verführen: Feinste Karamellmasse umschmeichelt knackige Baumnussstückchen, frischer Rahm verleiht eine besondere Frische und der Mürbeteig ist ein Wunder für sich – nicht zu schwer, nicht zu trocken … Genuss pur!
Kein Wunder also, dass unsere Engadiner Nusstorte Aushängeschild, Markenbotschafter und Exportschlager zugleich ist. Wer das Originalrezept erfunden hat, ist bis heute nicht eindeutig belegt – viele Bäcker fordern diese Ehre für sich ein. Fest steht allerdings, dass Engadiner Zuckerbäcker tatsächlich ihre Finger im Spiel bzw. im Teig hatten, und zwar schon im späten Mittelalter
Zu behaupten, das Engadin sei die Wiege der internationalen Zuckerbäckerkunst, wäre sicherlich übertrieben – aber dass ohne unsere Bündner die Welt heute um unzählige Leckereien und Spezialitäten ärmer wäre, steht unwiderruflich fest. Dabei begann alles fernab der heimatlichen Berge, unsere Spurensuche nach den ersten Engadiner Zuckerbäckern (rätoromanisch „patissier“ oder „pastizier“ und von den Italienischbündnern „pasticciere“ oder „zuccariere“ genannt) führt uns nach Venedig. Nachdem 1630 die Pest die dortige Bevölkerung zum grossen Teil dahingerafft hatte, waren fleissige und talentierte Arbeitskräfte aus dem Ausland willkommen. Die Engadiner, die ihrem kargen Bergboden seit jeher nicht viel zum Leben abgewinnen konnten und sich daher vor allem als Zuckerbäcker einen Namen gemacht hatten, witterten ihre Chance! Ihr Organisationstalent (sie gründeten bald Zünfte mit enormem Einfluss), ihre Vielseitigkeit (der Beruf des Zuckerbäckers umfasste damals die Herstellung und Vertrieb von Backwaren, Speiseeis, Limonaden und Konfitüren sowie die Bierbrauerei und Branntweindestillation) und auch ihre Religion (die protestantischen Engadiner durften zum Beispiel auch während der Fastenzeit mit Butter backen) sorgten dafür, dass ihr Ruf bald über Venedigs Grenzen hinaus in die Welt getragen wurde.
Selbstverständlich waren die venezianischen pasticcieri alles andere als erfreut über diese mächtige Konkurrenz, so dass sie aufatmeten, als sich Venedig 1766 mit Chur überwarf und alle Bündner Bäcker aus ihrer Stadt wegwies. Das brachte aber die zielstrebigen Engadiner nicht von ihrem Erfolgskurs ab, die ihr süsses Netz daraufhin über ganz Europa und sogar in Übersee auswarfen. Und hier kommt wieder die Engadiner Nusstorte ins Spiel, denn die in Frankreich ansässigen Zuckerbäcker stiessen dort auf Walnüsse, die in ihrer Heimat nicht wuchsen. Aus dieser neuen faszinierenden Zutat kreierten sie flugs jene Torte, die heute neben Schweizer Schoggi und Schweizer Uhren ein (inter)nationaler Verkaufschlager ist.
In Sachen Popularität bietet die Engadiner Torte der Engadiner Nusstorte kräftig Paroli. Auch sie basiert auf feinem Mürbeteig, ist jedoch ein mehrschichtiges Wunder mit zarter Butter-Vanillecrème und knusprigen Florentinerdeckel. Erschaffen in den 1930ern von Oscar Kochendörfer in seiner Pontresiner Konditorei entwickelte sie sich rasch zu einer überregional bekannten und begehrten Spezialität. Apropos Spezialität: Wer die kulinarische Seele unserer Region in all ihren Facetten erkunden möchte, darf weder an den von einheimischen Zuckerbäckern handgefertigten Schokoladen oder Pralinés noch an unserem Engadiner Birnbrot achtlos vorübergehen. Im saftig-süssen Gebäck lauern ganze Früchte und knackige Nüsse. Vitaminreiches Schlemmen – mehr Genuss geht nicht. Aber probieren Sie am besten selbst!