Nalu Nussbaum ist eines der grossen Freestyle-Nachwuchstalente der Schweiz. Seine Eltern waren Teil der Szene, als die Sportart in den 70er-Jahren ihren Anfang nahm.
Im Zimmer von Nalu Nussbaum hängt ein vergilbtes Bild an der Wand. Es zeigt seinen Vater Nick, der in den 70erJahren im Engadin ein Freeskier der ersten Stunde war, wie er waghalsig einen Vorwärtssalto über die Bar der Alpinahütte auf der Corviglia macht. Umgeben von diesem Geist ist Nalu selbst zu einem talentierten Freeskier herangereift. Als Mitbegründer der Engadiner Freestyle-Szene hatten Nalus Eltern in jungen Jahren die Möglichkeit, unzählige Male als Stuntdoubles im Einsatz zu stehen, oft für Produktionen des Filmemachers Willy Bogner. «Schon damals, in den späten 70er- und 80er-Jahren, haben wir 360er und Backflips gefilmt, ohne GoPros und Drohnen», erinnert sich Nick. Stattdessen wurde in schwer zugänglichem Gelände aus dem Heli heraus gedreht oder aber auf von Bogner speziell ent wickelten Skis. Dank aufgebogenen Enden erlaubten diese dem Kameramann, rückwärtsfahrend Aufnahmen von Skifahrern in voller Fahrt zu machen. Kein leichtes Unterfangen; die Kameras waren sperrig, wogen rund 16 Kilo und gefilmt wurde in den steilsten Hängen und auf zerklüfteten Gletschern. Damals entstanden Filme, die heute Kultstatus haben, so wie «Fire & Ice» oder die Bond-Produktion «The Spy Who Loved Me». Klassiker, mit denen Nalu aufgewachsen ist.
Nalu, dessen Name im Hawaiianischen «Welle» bedeutet, ist 2001 geboren und im Engadin und Tessin aufgewachsen. Er besucht die Swiss Olympic School in Tenero und ist Mitglied des Swiss Ski Sichtungskaders. Sich selbst beschreibt er als Träumer und findet die Frage nach seiner Freizeit überflüssig: «Sport ist mein Leben.»
«Nalu von klein auf die Passion und den Respekt für meinen geliebten Sport und die Natur weiterzugeben und ihn heute springen zu sehen, macht mich stolz und glücklich», sagt Nick. Aber: «Natürlich habe ich auch Angst um ihn. Das Risiko, das die Kids heute eingehen, ist enorm. Von Dreifach- und Vierfachsprüngen, teils mit vier oder mehr Schrauben, haben wir nicht mal geträumt.» Mit der Ehrfurcht schwingt auch etwas Melancholie mit, angesichts der Tricks, welche der Nachwuchs heute zeigt. «Ich wünschte, wir hätten da- mals diese Möglichkeiten gehabt, Neues zu entdecken. Es gab kein Instagram, kein Youtube. Wenn mal einer ein Magazin aus den USA mitgebracht hat, wurde es durch- geblättert, bis die Seiten herausgefallen sind.» Die Professionalisierung des Sports zeigt sich in der Familie Nussbaum deutlich: Nalu war noch keine 10 Jahre alt, da machte ihm sein Vater in Sachen Sprünge und Tricks bereits nichts mehr vor. Davon abgehalten, gemeinsam der Leidenschaft für ihren Sport nachzugehen, hätte das die beiden aber nie.
Nick ist seit 40 Jahren mit Leib und Seele Skilehrer bei Suvretta Snowsports. Für die actionreichen Filmaufnahmen in den Produktionen von Willy Bogner schaufelten er und der Filmemacher von Hand jeweils riesige Sprungschanzen – bis heute kann der gebürtige Tessiner keinem Kicker widerstehen.
Was mit einem Brett geht, klappt auch mit zweien – das Beweisen Freeskier. Ihre actionreiche Sportart ist sozusagen das Pendant zum Freestyle-Snowboarden. Bei beiden Sportarten gibt es dieselben drei Wettkampfdisziplinen: Slopestyle, Big Air und Halfpipe. Beim Slopestyle durch-fahren die Athleten einen Parcours bestehend aus Kickern – einer Art Sprungschanze – und Slide-Elementen, zum Beispiel Rails oder Boxen. In der Disziplin Big Air absolvieren sie nur einen Sprung, dabei f liegen sie bis zu sieben Meter hoch und 25 Meter weit. In der Halfpipe zeigen sie dann wieder mehrere Tricks und springen bis zu fünf Meter über den Rand der Halfpipe hinaus. In allen drei Disziplinen bewertet eine Jury die Leistung. Wichtige Kriterien sind unter anderem die Höhe der Sprünge, die Schwierigkeit und die Ausführung.